5:00 h Skyline Hotel Manhattan: Es ist dunkel und recht frisch in unserem Zimmer und die Cheerios wollen um diese unchristliche Zeit auch noch nicht so
richtig schmecken. Puenktlich um dreiviertel sechs sitzen wir in der letzten Reihe unseres Zubringerbusses! Thomas, ganz relaxed, packt die Banane aus. "Gar nicht aufgeregt?" frage ich. "Nee, warum auch, hab ja keine Ahnung, was auf mich zukommt und wenn ich in den letzen Monaten etwas gelernt habe, dann, dass nichts schief geht, wenn man vor dem Wettkampf Bananen isst." Der erfahrene Unter-3-Stunden-Mann vor uns stimmt ihm lachend zu und beisst ebenfalls herzhaft in die Banane. Tine aus der Naehe von Muenchen schlenkert die Zoepfe vor mir. "Machst du dir zum Laufen au immer so Zoepf'? Echte Kampfzoepfe!"
Die Aussichten die kommenden 4 h auf dem Gelaende der National Coast Guard auf Staten Island bei nicht viel mehr als 0 Grad und kuehlem Atlantikwind verbringen zu duerfen sind eigentlich nicht gerade prickelnd, zumal sich der Grund fuer diese fruehe Anreise nicht so ganz erschliesst. Die Verrazano Narrows Bridge ist ab 7:00 h gesperrt, aber ganz offensichtlich haben wir die gar nicht ueberquert, sondern sind durch einen Tunnel gefahren. Hilft nichts! Unsere neuen Busbekanntschaften versprechen genug Abwechslung bis zum Start. Es ist wirklich kalt! Aber es gibt frische Bagels, zaehe, aber leckere Power Bar Riegel in wilden Geschmacksrichtungen, Kaffee, Tee und heisses Wasser. Wir postieren uns in unmittelbarer Naehe des
Teeausschanks. "I drink' ueberhaupt nie oen Toe!" meint Jo nach dem vierten Becher, aber es ist die beste Methode, sich einigermassen warm zu halten. Thomas zueckt die Rettungsdecken aus dem abgelaufenen Verbandskasten, an die er clevererweise gedacht hat, Peter verleiht seine "Nach-dem-Rennen-Wechselkleidung" und als die erste Wave das Feld bereits verlassen hat, stuerzt sich Tine auf alles, was sie finden kann. "Oh, schaut mal! I hob' a paar Handschuh' g'funden. I glaub' mit dene' renn' i nacher au!"
Als wir uns gegen 10 endlich in unseren Startblock begeben duerfen, haeufen sich links und rechts Berge mit abgelegten Kleidungsstuecken. Tine schnappt sich noch eine Jacke, in deren Taschen sich sogar noch Pflaster und Energieriegel befinden! Ich "leihe" mir noch etwas abgestellte Vaseline und Thomas denkt darueber nach, ob er spontan auf's Laufen verzichten sollte, um einen gutgehenden Second-Hand-Shop zu eroeffnen.
Puenktlich um 10:20 dann unser Startschuss. Wenige Minuten spaeter ueberqueren wir die eigentliche Startlinie am Fuss der Verrazano Bridge. Es ist atemberaubend! Die kraeftezehrende Warterei ist augenblicklich vergessen und auch der steile Anstieg der ersten Meile ist ob des gigantischen Ausblicks, der sich bietet, voellig gleichgueltig, gerade richtig, um sich warm zu laufen.
Auf der anderen Seite erwarten uns die ersten Zuschauermassen: Welcome to Brooklyn! Ich muss spontan an die Beastie Boys denken. Jetzt den mitgeschleppten MP3-Player anzuschalten ist vollkommen unnoetig. Ueberall frenetischer Jubel und alle paar hundert Meter eine ziemlich abgefahrene Liveband! Wahnsinn! Der vor einer Kirche singende Gospelchor treibt mir die Traenen in die Augen! Dieser Lauf muss genossen werden. Endzeiten sind hier vollkommen nebensaechlich. Aber es laeuft gut, schoen gleichmaessig und dank der Streckenunterhaltung sehr kurzweilig. Die Halbmarathonmarke passieren wir nach 2 1/4 Stunden. Da bin ich dieses Jahr auch schon schlechtere Halbmarathons gelaufen.
Sehr hipp, die Strecke durch Williamsburg. Denke kurz darueber nach, mal ein bisschen stehen zu bleiben, weil die Menschen so sophisticated ausschauen.
Nach dem Anstieg zur Ueberquerung der Queensborrow Bridge ueberschreiten wir km 25. Manhattan, here we come!
Jetzt fehlt noch der 5te Borrow: The Bronx! Tine fragt kurz vor km 30 nach meiner Zimmernummer. Eine echte Harausforderung an dieser Stelle. Sie wird ein bisschen langsamer und ich starte ganz alleine durch.
In Harlem entlang der 1st Avenue wird's ein bisschen ruhiger und dann wieder jubelnde Begruessung in den Bronx, keine brennenden Muelltonnen, aber ein wenig abgerockt sieht es schon aus, dafuer aber Hiphop vom Feinsten. Der Abstecher ist kurz und als ich gerade auf der Bruecke zurueck nach Manhattan darueber nachdenke, ob ein wenig eigene Musik doch noch besser ueber die letzten 8 km helfen koennte, taucht ein ziemlich abgekaempfter Thomas neben mir auf. Yippee, gemeinsam kaempft es sich doch viel einfacher, zumal gerade jetzt auf der 5th Avenue in der Upper East Side nochmal ein gemeiner Anstieg auf uns wartet. "You are looking good guys. One more mile to go till Central Park. Another 3 traffic lights. You're almost there!" Die Wahrnehmung wird langsam etwas schlechter, aber irgendwie bekomme ich noch genug mit und auch die Aussichten, es bald geschafft zu haben, befluegeln! Schon kommt das Last-Mile-Schild in Sichtweite und dieser tolle Blick auf Downtown, da das Plaza und die nicht nachlassenden Anfeuerungsrufe. Nach 4 1/2 Stunden ueberschreiten wir gemeinsam die Ziellinie! Was fuer ein Gefuehl. We ran the City! Yes, we could