Sonntag, 10. März 2013

Local Natives, La Laiterie à Strasbourg

02.03.2013
Local Natives, La Laiterie Strasbourg
Zuschauer: etwa 200, gut besucht, nicht ganz ausverkauft

Nun gut, Aaron Dessner von The National hat - wie schon mal erwähnt - seine Finger im Spiel. Da liegt es nahe, dass ich mal wieder größere Fahrten auf mich nehme.
Und auf dem ATP hatten die Jungs aus der Nähe von Los Angeles auch schon mal überzeugt. Perfekt passte aber auch, dass das am nächsten an der Heimat gelegene Konzert der Local Natives auf einen Samstag fiel und dazuhin der kleine Saal der Laiterie einer der schönsten Veranstaltungsorte ist, den ich kenne. Das Ganze ließ sich also wunderbar mit einem Ausflug ins Nachbarland verbinden und nachdem wir ein perfekt fußläufig zur Laiterie gelegenes, recht erschwingliches Hotel ausfindig gemacht hatten, wurde ein kompletter Wochenendausflug daraus, auf dass auch das zweite Glas elsässischer Riesling noch voll und ganz genossen werden konnte. Beim Packen arbeitete sich die Sonne zum allerersten Mal seit gefühlten 5 Monaten mal wieder durch das Einheitsgrau, so dass mir in letzter Minute einfiel, noch unbedingt nach der verschollenen Sonnenbrille zu fahnden. Herrlich trotz Kälte, aber bei strahlend blauem Himmel und auch später nach Einbruch der Dunkelheit – dann eher ohne Sonnenbrille - durch das schöne Straßburg zu bummeln.
Natürlich waren wir aber schon ganz primär wegen Local Natives angereist. Als wir die Laiterie gegen 20 nach 8 betraten, waren die Haken bei der Kleiderabgabe bereits sehr gut gefüllt. So auch der doch eher winzige Saal, aus dem eine zauberhafte weibliche Stimme zu hören war. Einer der Vorteile dieses Ortes ist die Tatsache, dass der Raum eher in die Breite als in die Tiefe geht und dass sich der Haupteingang im vorderen Teil befindet, so dass man beim Reingehen praktisch fast vor der Bühne landet.
WALL aka Lyla Foy

Wir haben uns fairerweise aber erst mal ein Stückchen weiter nach hinten gestellt und uns umgehend von der Vorband aus London mit Namen „Wall“ gefangen nehmen lassen. Auch das restliche Publikum schien recht angetan zu sein. Es herrschte angenehme Ruhe im Saal und alle schenkten der elfenhaften Engländerin mit dem Gänseblümchenhaarreif ungeteilte Aufmerksamkeit. Der Sound, der ohne Schlagzeug auskam und viel Elektronik beinhaltete, erinnerte entfernt an The XX, vielleicht nicht ganz so minimalistisch, wobei Lyla Foys zarte Stimme dann auch wieder gar nicht mehr zu dieser Assoziation passte. Stimmlich musste ich eher an Enya denken, die Freundin an Nina Persson. Für Anfang April ist das Debutalbum angekündigt und nach den ersten Eindrücken könnte sich das möglicherweise lohnen. Sehr schön auch das Cover des steinalten Supremes-Songs „Where Did Our Love Go“, in einer erfrischend modernen, elektronisch unterlegten 2013er Minimalversion.
In der relativ kurzen Umbaupause war dann deutlich zu vernehmen, dass sich noch ein paar andere Landsleute über die Grenze gewagt hatten. Vor uns wurde fröhlich über Indiemucke und anstehende Festivals gefachsimpelt.
Wie auch Ihr neues Album „Hummingbird“ eröffneten die Local Natives ihren Teil des Abends mit „You & I“, einem Lied, das ich etwas schwierig finde, da ich mich mit männlichen Kopfstimmen einfach nicht richtig anfreunden kann, obwohl das Lied, versuchsweise objektiv gesehen, vermutlich einen ganz passablen Opener abgibt. Es wird in jedem Fall sofort klar, dass das hier ein richtig gutes Konzert geben würde: Zwei Gitarren, Bass, Keys und quasi eineinhalb Schlagzeuge, dazu bis in die Haarspitzen motivierte Musiker, die Ihren druckvollen Psychfolk mit einer wuchtigen Energie in fulminanten, gut ausgesteuerten Klangteppichen über die weiterhin sehr aufmerksame Zuhörerschaft ausbreiten und wohl so ziemlich jeden im Raum mitnehmen.
Nachdem sich Aaron Dessner als Produzent der Platte hervorgetan hat und auch sein Garagenstudio zur Verfügung gestellt hatte, klingt der ureigene Dessner-Sound an der einen oder anderen Stelle durch. Die erste Single „Heavy Feet“ erinnert mich tatsächlich stark an „The National“. Was - zumindest mir - beim Hören der Platte gar nicht bewusst wurde, wie sich Bon-Iver-Lookalike Kelsey Ayer und Schnauzerträger Taylor Rice gesanglich permanent ergänzen und auch abwechseln. Auch der zweite Gitarrist Ryan Hahn und (Tour?-)Bassist Nik Ewing drängt es an die Mikrophone. Kelsey Ayer bedient neben seinem Keyboard fast durchgängig die zweiten Drums. Die Verstärkung ist deutlich hörbar. Die Drumarrangements klingen auch schon auf den beiden Alben phantastisch, was natürlich auch an den Qualitäten von Hauptdrummer Matt Frazier liegen dürfte, der absolut überwältigende Rhythmen beisteuert. Die Energie auf der Bühne wird noch dadurch verstärkt, dass nicht nur ab und zu Instrumente, sondern auch Plätze gewechselt werden und die Instrumente auch sonst mit vollem Körpereinsatz bedient werden. Es klingt phänomenal gut.
Beim wunderschönen „Mt. Washington“ muss ich immer an „Transatlanticism“ von DCFC denken, obwohl natürlich auch dieses ruhigere Lied eine ganz andere Dynamik hat als Ben Gibbards. Viele Ansagen machen die Kalifornier nicht. Ganz am Anfang kommt ein gehauchtes Merci, ansonsten beschränkt man sich auf die eine oder andere Liedansage und macht das, was man am besten kann. Zehn der Songs stammen natürlich von der betourten Platte. Da es nur ein weiteres Album gibt, kommt auch der Vorgänger „Gorilla Manor“ nicht zu kurz.
Insgesamt ganz großes Kino. Ein herrlicher Ausflug, der sich in jeder Hinsicht gelohnt hat. Ich würde vermutlich auch noch ein zweites Mal für zwei Stunden ins Auto steigen, um Local Natives live zu sehen und zu hören. Für den Herbst sind bereits ein paar weitere Deutschlandtermine bestätigt. Ich kann nur wärmstens empfehlen, einen davon wahrzunehmen. Sehr positiv fiel uns auch das eher jüngere, aber unglaublich aufmerksame Publikum auf. Sollte das eine typisch französische Konzertgängereigenschaft sein, ein weiterer Grund den Radar in Zukunft noch ein bisschen intensiver auf die Laiterie richten.
Und am nächsten Morgen, immer noch strahlender Sonnenschein, lausig kalt und wunderschön. Französiches Frühstück: Baguette, Butter, Marmelade und Café au Lait und weil wir uns tatsächlich bereits kurz nach 9 auf den Weg gemacht hatten, so gut wie keine weiteren Touristen.
 

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