13.03.2013
Walter Schreifels aus Rockaway/Queens mittlerweile verwurzelt in Brooklyn und auch ein bisschen in Berlin, gönnt sich wenig Pausen. Letztes Jahr wurde die legendäre 80ies Hardcoreband Gorilla Biscuits reaktiviert und auf Tour geschickt, plötzlich tauchte 2012 auch das totgeglaubte Posthardcoreprojekt Quicksand wieder aus der Versenkung auf und seine Alternativeband Rival Schools gibt es auch noch. 2010 veröffentlichte Walter Schreifels eine hübsche Singer/Songwriter-Platte als Soloprojekt. Und genau dieses Soloprojekt wird momentan betourt. Ganz ohne Begleitband ging’s im Jugendhaus West an den Start, in dem normalerweise wohl eher lokale Punkbands auftreten. Eigentlich schade, dass die meisten Jugendhäuser - so wie ich das sehe – nicht noch ein bisschen mehr aus ihren Möglichkeiten machen. Jedenfalls waren die Macher des West sehr happy eine „Legende“ zu Gast zu haben und noch dazu eine so unglaublich uneingebildete, supersympatische.
Walter nutzt die Gelegenheit keinerlei Rücksicht auf sich möglicherweise langweilende Mitmusiker nehmen zu müssen und plaudert aus dem riesigen Nähkästchen einer langen Karriere. Es wurde ein äußerst vergnüglicher Unterhaltungsabend bei dem die Musik schon fast die Nebenrolle spielte. Er erzählt von den Unterschieden zwischen den immer diplomatischen Amerikanern und den für seinen Geschmack manchmal zu ehrlichen Deutschen und Holländern, die einem direkt ins Gesicht sagen, wenn sie den oder jenen Song nicht ganz so gelungen finden oder dass man ja wohl offensichtlich ein paar Kilo zugenommen hätte und das Haar langsam lichter werden würde! Er plaudert von den Mailänder Modewochen und der Party mit Donatella Versage, wie hübsch Schorndorf doch eigentlich sei und wie er gemeinsam mit Olli Schulz eine winzige Bühne teilte, hinter der Bühne in der Not eine Flasche zum Urinal umfunktionieren musste und Olli Schulz seine Warnung diesbezüglich zu spät erhalten hatte.
Meine persönliche Lieblingsgeschichte des Abends: Also Walter, seines Zeichens damals schon Gitarrist der Gorilla Biscuits, ist irgendwann Anfang der 90er auf seiner ersten Tour. Vom hart verdienten Tourgeld kauft er sich ein wunderschönes rotes Specialized, das natürlich – it’s New York - nach relativ kurzer Zeit geklaut wurde.
Ungefähr 15 Jahre später läuft er durch’s Village in NY und sieht ein wunderschönes rotes Specialized, gut abgeschlossen, an einer Ecke stehen: „Wow“, denkt er sich, „ja genau so sah mein wunderschönes rotes Specialized aus“ und beginnt sich das Rad etwas näher anzusehen. „Wait, das ist MEIN wunderschönes rotes Specialized!“, weil an genau der Stelle, an der er einst einen Aufkleber seiner Band angebracht hatte, immer noch der Sticker der Gorilla Biscuits klebt! Walter beschließt zu warten. Er will unbedingt herausfinden, wer sein Bike damals geklaut hat. Während er so wartet, fällt ihm ein, dass der Fahrradtyp ja viel größer und stärker sein könnte und ihn einfach umhauen könnte, um dann in aller Seelenruhe mit dem Bike davon zu düsen. Er lässt sich kurz entschlossen von seiner Freundin ein Zahlenschloss bringen, versieht es mit seiner Telefonnummer und geht nach Hause. Wenig später ruft tatsächlich ein Typ an, der versichert, dass er das Rad – wie sollte es auch anders sein - selbstverständlich nicht geklaut, sondern gekauft hätte und dass er jetzt mal ganz dringend die Zahlenkombo bräuchte, um heimzufahren! Man verbleibt dabei, sich aber auf jeden Fall nochmal über das Rad zu unterhalten.
Tatsächlich meldet sich der Typ am nächsten Tag nochmal und Walter schlägt ihm vor, das wunderschöne rote Specialized, an dem sein Herz hängt, einfach gegen das von ihm zwischenzeitlich erworbene nicht ganz so wunderschöne Trekbike zu tauschen.
Man trifft sich in Williamsburg. Walter radelt mit dem Trek zum Treffpunkt. Der Typ erscheint, hat das wunderschöne rote Specialized aber gar nicht dabei: „Hmmm, das rote Rad steht oben in meiner Wohnung. Dieses hier sieht tatsächlich auch nicht schlecht aus. Dürfte ich vielleicht mal eine Runde probefahren?“ „Klar!“ Walter drückt ihm das Rad in die Hand. Der Typ radelt los. Als er um die erste Ecke biegt, fängt Walter an zu schwitzen: „Ich weiß nichts von dem Kerl und ich habe nichts in der Hand. Wenn er jetzt nicht zurückkommt, habe ich mein schönes rotes Specialized nicht zurück und mein Trek ist auch noch weg. Wie vollkommen blöd bin ich eigentlich?“ 5 endlose Minuten vergehen und Walter war selten in seinem Leben so froh, einen Menschen wieder zu sehen. Man tauscht die Räder. Walter ist überglücklich und radelt ab da mit dem wunderschönen roten Specialized durch New York bis er eines Tages nach einer wilden Kneipenparty vergisst, dass er mit dem Rad da ist … Seitdem fährt wieder ein anderer mit dem wunderschönen roten Specialized durch die City.
Und wie könnte es anders sein, es gibt natürlich auch ein Liedchen darüber:
Ach ja die Liedchen … ganz offiziell war es ja ein Konzert, aber ganz inoffiziell war es einfach perfekte Unterhaltung eines talentierten Showman ohne jegliche Starallüren! Gerne wäre man am Schluss noch in kleiner Runde auf ein paar Bier geblieben und hätte weiteren Geschichten aus dem Leben eines Musikers gelauscht, aber leider war ja erst Mittwoch.
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